Mehrere Tote bei Amoklauf an einer Schule in Örebro

Kerzen nach Amoklauf

Am Dienstag, 4. Februar, um 12.33 Uhr geht bei der Polizei in Örebro ein Notruf ein. Es gebe Schüsse an einer Schule in Örebro. Wenig später ist klar: Das schlimmste Massaker in der schwedischen Geschichte hat stattgefunden. Elf Menschen sterben bei dem Amoklauf.

Der Notruf kommt von der Risbergska skolan, ein früheres Gymnasium, das jetzt ein Zentrum für Erwachsenenbildung ist. Ca. 1500 Schülerinnen und Schüler, meist im jungen Erwachsenenalter, besuchen diese Schule. Mit mehreren Einsatzwagen kommt die Polizei zur Schule. Als sie ankommen, ist die Lage unübersichtlich. Unklar ist, ob es mehrere Täter gibt und wo er sich aufhält.

Die Polizei ruft die Bevölkerung dazu auf, den Stadtteil Västhaga zu meiden und zuhause zu bleiben, wenn man hier wohnt. In der Schule haben sich Lehrkräfte und Schüler verbarrikadiert. Später sagt die Polizei, dass die meisten vorbildlich gehandelt und so vermutlich noch mehr Tote verhindert hätten. Auch in zwei Schulen in unmittelbarer Nähe zur Risbergska skolan verbarrikadieren sich die Klassen in ihren Klassenzimmern.

Die Risbergska skolan in Örebro im Jahr 1920

„Poliserna möttes av ett inferno.“ („Die Polizisten trafen auf ein Inferno.“)

Pressemitteilung der schwedischen Polizei vom 6.2.2025, polisen.se

Polizisten werden beschossen, schießen selbst aber nicht.

Die Polizisten gehen sofort in die Schule hinein, werden selbst beschossen, aber niemand von ihnen wird getroffen. Selbst feuert die Polizei keinen Schuss ab, was in den letzten Tagen Diskussionen ausgelöst hat, ob die Einsatzkräfte den Täter nicht eher außer Kraft hätten setzen können.

Fast zwei Stunden nach dem ersten Notruf ist die Lage nach wie vor völlig unklar. Die Polizei Örebro schreibt um 14.12 Uhr auf ihrer Webseite: „Faran är inte över. Allmänheten MÅSTE hålla sig undan Västhaga fortsatt.” („Die Gefahr ist nicht vorüber. Die Bevölkerung muss sich weiterhin von Västhaga fernhalten.“) Später wird klar, dass die Einsatzkräfte zu diesem Zeitpunkt den Täter bereits tot aufgefunden haben, aber nicht ausschließen können, dass es sich um mehrere Täter handelt.

In der Zwischenzeit sind bereits die ersten fünf Verletzten ins Krankenhaus gebracht worden, wo sie notoperiert werden. Die Polizei arbeitet sich in der Schule von Klassenzimmer zu Klassenzimmer vor und befreit die dort verbarrikadierten Schülerinnen und Schüler.

Attentat mit am Ende elf Toten

Um halb vier Uhr tritt der regionale Polizeichef Patrick Ungsäter das erste Mal vor die Kameras. „Jag vill först uttrycka mitt deltagande till alla anhöriga och de som är drabbade.” (”Ich will zuerst den Angehörigen und denen, die betroffen sind, mein Mitgefühl ausdrücken.“) Dann teilt er mit, dass aktuell fünf Personen verletzt seien, worunter auch der Mann ist, den die Polizei als Täter verdächtigt.

Der regionale Polizeichef in Berglagen Patrick Ungsäter, Foto: polisen.se

Um 16 Uhr sind alle Schülerinnen und Schüler aus der Schule evakuiert.

„Den värsta masskjutningen i svensk historia“

Zwei Stunden später kann die Polizei ein etwas klareres Bild des Amoklaufs zeichnen: Der Polizeichef von Örebro, Roberto Eid Forest, steht mit ernster, erschöpfter Miene vor den Kameras und sagt: „Vi vet nu att ett tiotal personer omkommit där i dag. Den misstänkta gärningsmannen är en av de döda. Han är inte känd av polisen sedan tidigare och har inte koppling till något gäng.” (”Wir wissen nun, dass zehn Menschen heute dort umgekommen sind. Der verdächtigte Täter ist einer der Toten. Er ist der Polizei nicht von früher bekannt und hat keine Verbindung zu einer Gang.“) Später wird die Zahl der Toten auf elf korrigiert. Regierungschef Ulf Kristersson wird die Tat am selben Abend „den värsta masskjutningen i svensk historia“ nennen („das schlimmste Massaker in der schwedischen Geschichte“).

Schwieriger medialer Umgang mit dem Amoklauf

Wie bei so vielen Schulmassakern in anderen Ländern zeigt sich auch jetzt in Schweden, wie schwierig es vielen Medien fällt, mit einer solchen Tat angemessen umzugehen. Man will schnell sein, muss aber auch korrekt sein. Viele erliegen der Sensationsgier, versuchen alles über die Opfer herauszubekommen. Die Zeitung Aftonbladet interviewte nur Stunden nach der Tat einen Angehörigen des Täters. Dabei wurde der Angehörige vom Journalisten über die Tat seines Verwandten informiert. Später nahm Aftonbladet das Interview aber wieder von der Seite und entschuldigte sich.

Die Medienschaffenden wissen auch, dass sich nicht allzu viel der Berichterstattung um den Täter drehen sollte, da dies potenzielle Trittbrettfahrer animieren könnte. Und dennoch ist das Interesse groß, mehr über den Täter zu erfahren. Schon bald veröffentlichen manche Medien den Namen des 35-Jährigen: Rickard Andersson. Für die Polizei ist er ein Unbekannter. Er ist nie aktenkundig geworden. Wohl handelt es sich um einen sehr zurückgezogenen, isolierten Menschen. Auf den sozialen Medien beginnen daraufhin schnell, Gerüchte und falsche Anschuldigungen die Runde zu machen. Mehrere Männer mit demselben Namen wie der Täter werden dort angeklagt und auch bedroht.

Königspaar in Örebro

Aus der Politik kommen am Tag der Tat und den darauffolgenden Tagen vor allem Botschaften, die den Zusammenhalt der Gesellschaft und die Trauer und das Mitgefühl betonen. Am Mittwoch kommen mehrere hohe Politiker und auch das Königspaar nach Örebro, sie legen Blumen vor der Schule ab und besuchen einen Gottesdienst, der den Opfern der Tat gewidmet ist.

Am Donnerstagvormittag versammeln sich die Parteichefs der Regierungs- und der Oppositionsparteien in Rosenbad, dem Sitz der schwedischen Regierung. Man will Einigkeit und Zusammenhalt demonstrieren. Die gemeinsame Sitzung wird mit einer Schweigeminute eingeleitet. „Sverige behöver samling, att vi gemensamt kan stå upp mot våldet”, sagt Magdalena Andersson, Parteivorsitzende der Sozialdemokraten, nach der Sitzung. (”Schweden muss sich sammeln, dass wir gemeinsam gegen die Gewalt aufstehen können.“). Schweden brauche nicht noch mehr Spaltung.

Erste politische Forderungen nach dem Amoklauf

Aber es bleibt nicht beim Innehalten, sondern politische Forderungen lassen nicht lange auf sich warten. Man will Handlungsbereitschaft zeigen, demonstrieren, dass man nach solchen Taten agieren will. Der Zugang zu Waffen müsse überprüft werden, hört man von den Sozialdemokraten. Schließlich war der Täter im Besitz mehrerer lizenzpflichtiger Waffen, hatte aber einen Waffenschein. Auch der Gewalt in den sozialen Medien müsse begegnet werden.

Die Schulministerin Lotta Edholm von den Liberalen fordert, dass die Schulen abgeschlossen sein müssen, wenn der Unterricht begonnen hat, damit Unbefugte nicht so leicht in Schulgebäude gelangen können.

Auch die Frage nach dem Motiv spielt in der politischen Diskussion eine wichtige Rolle. Gab es beispielsweise einen rassistischen Hintergrund? Bisher kann die Polizei ein ideologisches Motiv weder bestätigen noch verneinen. Aftonbladet vermeldet unter Verweis auf gut informierte Quellen, dass der Täter wohl bewusst an manchen Schülern vorbeigegangen sei, er also nicht wahllos geschossen habe.

Stärker diskutiert wird aktuell eher die vollkommene Isolation des Mannes und wie es kommen könne, dass junge Menschen gesellschaftlich und sozial so vereinsamen können, wie es bei diesem Mann wohl der Fall gewesen ist.

Es ist eine schreckliche Tat. Zehn unschuldige Menschen verloren ihr Leben, mehrere andere wurden zum Teil schwer verletzt, viele stehen unter Schock. Es ist eine Tat, die Schweden noch lange beschäftigen wird.

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